Tresor [1]

[608] Tresor. Tresoranlagen sind gemauerte, mit Eisen armierte Räume, welche zur Aufbewahrung großer Geld- und Wertvorräte dienen; sie müssen nicht nur feuer- und einbruchsicher sein, sondern auch der Einwirkung von Erdbeben einen gewissen Widerstand entgegensetzen [1].

Das Bindeglied zwischen den Geldschränken und Stahlkammern bilden die sogenannten Mauerschränke, welche aus starkem Eisen hergestellt und in Mauern von genügender Stärke versetzt werden; an der schwächsten Stelle soll das Mauerwerk noch mindestens anderthalb Steine stark sein.

Bei den Stahlkammern müssen die Umfassungsmauern bei einer Stärke von mindestens zwei Steinen in Zementmörtel ausgeführt werden und erhalten eine Panzerung:

1. Durch Einmauern von Eisen- oder Stahlschienen; die Flacheisenschienen, etwa 60 : 8 mm, werden in jede Ziegelschichte hochkantig (Fig. 1) eingelegt; statt der ebenen Flacheisenschienen verwendet man auch schraubenartig gewundene Stahlschienen (wie an der Tür in Fig. 6) oder gewundene Kreuzschienen, wobei zweckmäßig die glasharten gewundenen Kreuzstäbe in Abständen von 10 bis 20 cm in eine 20–50 cm starke Betonschicht eingebettet werden.

2. Durch die sogenannte Gitterpanzerung, bei welcher die Eisenschienen 60 : 8 mm kreuzweise übereinander genietet werden (vgl. den Fußboden in Fig. 1), so daß quadratische Maschen von etwa 100 mm Länge und Breite entstehen. Diese Gitterfelder werden entweder eingemauert oder besser, der Tresorraum wird innen mit denselben ausgekleidet; in beiden Fällen erhalten die Gitterfelder kräftige Rahmen und werden zweckentsprechend mit dem Mauerwerk verankert. Besonders wirksam ist eine Panzerung bestehend aus zwei Reihen ineinander geschobener Eisenbahnschienen (Fig. 2), deren Köpfe vor der Verwendung gehärtet werden und durch einen aus Winkeleisen gebildeten Rahmen sowie durch Winkellaschen und Bolzen so fest miteinander verbunden sind, daß ein Herausreißen einzelner oder mehrerer Stäbe unmöglich wird.

3. Durch die Plattenpanzerung, bei welcher zunächst ein Gerippe aus Winkeleisen und Flacheisen bezw. -stahl hergestellt wird (Fig. 3), das genau der Größe und Form des Tresorraums entspricht; in dieses Gerippe werden die Panzerplatten 1–2 m und 6–10 mm stark in zweckentsprechender Weise so befestigt, daß die geschliffenen Plattenkanten dicht aneinander stoßen. Die Decke der Stahlkammern muß in starken Gewölben oder mit Rollschichten oder starkem Betonmauerwerk über starken eisernen Tresor [1]-Trägern ausgeführt werden. Ueber dem Gewölbe ist eine Sandschicht von mindestens 30 cm Stärke anzuordnen, um Stöße durch herabfallende schwere Gegenstände zu mildern und die Hitze bei Bränden nicht so schnell durchzulassen. Außerdem muß die Decke wie auch der Fußboden eine kräftige Eisen- oder Stahlarmierung erhalten, welche nach denselben Regeln ausgeführt wird wie die Panzerung der Seitenwände. – Der Fußboden muß, falls die Stahlkammer nicht auf gewachsenem Boden aufgeführt ist, ebenso wie die Decke gewölbt werden. Befindet sich unter der Stahlkammer ein freier Raum, so wird derselbe zweckmäßig mit Schutt und Sand ausgefüllt, falls nicht ein alle Seiten der Tresoranlage umschließender Beobachtungsgang (Fig. 4) eingerichtet wird; dieser ist so zu legen, daß er nicht nur von den Wächtern auf ihren nächtlichen Gängen benutzt wird, sondern auch von bestimmten Oberbeamten regelmäßig auf dem Wege zu ihrer täglichen Arbeitsstelle [4]. Es ist nicht zweckmäßig, Stahlkammern an die Außenwände der Gebäude zu legen. Den Maueröffnungen der Stahlkammern ist eine ganz besondere Aufmerksamkeit zu widmen, weil dieselben die natürlichsten [608] Angriffspunkte für deren Zerstörung abgeben. Etwaige Fensteröffnungen müssen durch Fensterrahmen mit starker Spiegelverglasung geschlossen werden. Außerdem wird außen ein starkes, nicht zu weitmaschiges Fenstergitter, innen aber ein nach den Grundsätzen der Geldschranktüren gebauter Fensterladen (Fig. 5) anzubringen sein. Der zuverlässige Verschluß dieser Fensterladen kann auch durch kräftige Vorlagestangen erhöht werden. Zu empfehlen ist zum Schutz bei geöffneten Fenstern und offenstehenden Fensterladen ein Gitter aus starkem Drahtgeflecht. Die Stahlkammertüren müssen ebenso wie jede Geldschranktür besonders stark gebaut sein (Fig. 6). In der Ebene der inneren Wandfläche wird zweckmäßig ein starkes Eisengitter angeordnet, so daß bei geöffneter Tresortür das Innere der Stahlkammer bequem übersehen werden kann.

Selbstverständlich muß auch die Türleibung eine ebenso starke Panzerung erhalten wie die übrigen Wände der Stahlkammer. Der Türverschluß muß ein ganz hervorragend sicherer sein, weshalb hier niemals nur ein einziges Schloß angewendet, sondern ein mehrfacher Verschluß in der Weise angeordnet wird, so daß nur bei gleichzeitiger Anwesenheit der berechtigten Schlüsselinhaber (oder zu einer bestimmten Stunde bei Betätigung eines Zeitschlosses) ein Oeffnen der Türe stattfinden kann; sehr häufig werden hier auch Kombinationsschlösser verwendet.

Sollen Luftschächte angeordnet werden, so empfiehlt es sich, denselben keinen größeren Durchmesser als 70 mm zu geben und diese nur in mindestens zwei Steine starken Mauern zu verlegen [2]. Noch besser aber ist es, diese Luftschächte nicht gerade, sondern in gebrochener Linienführung durch die Mauer zu leiten und außerdem den freien Durchgang durch starke eingemauerte Eisenstäbe zu verhindern. Die Beleuchtung wird schon der beschränkten[609] Lüftungsverhältnisse wegen nur elektrisch eingerichtet, und zwar wird ein selbsttätiges Inkrafttreten derselben beim Oeffnen und ein selbsttätiges Abstellen beim Schließen der Tür das zweckmäßigste sein. Geeignete Alarm- und Signalvorrichtungen können bei dem Vorhandensein eines genügend starken elektrischen Stromes leicht angebracht werden und fehlen daher bei den neuzeitlichen Anlagen fall niemals. Die innere Einrichtung der Stahlkammern ist ebenso wie deren Größe dem jeweiligen Zwecke entsprechend sehr verschieden; doch sind fast alle Banktresors immer mit vermietbaren Stahlfächern (Safes) ausgerüstet, welche einen Doppelverschluß in der Weise erhalten, daß der eine Schlüssel in der Bank dem Beamten zur Verfügung steht, während den zweiten der Mieter des Stahlfaches erhält; der Mieter kann dann erst sein Fach öffnen, wenn der Bankbeamte sein Schloß betätigt hat, während beim Schließen durch den Mieter beide Schlösser gleichzeitig geschlossen werden.


Literatur: [1] Handbuch der Architektur, III. Teil, Bd. 6, Darmstadt 1891. – [2] Baukunde des Architekten, I. Teil, Berlin 1891. – [3] Hoch, Technologie der Schlosserei, I. Teil, Leipzig 1899. – [4] Ders., Der praktische Schlosser, 3. Aufl., Leipzig 1907. – Kataloge von H. Bode in Hannover, C. Ade in Stuttgart u.a.

J. Hoch.

Fig. 1.
Fig. 1.
Fig. 2., Fig. 3.
Fig. 2., Fig. 3.
Fig. 4.
Fig. 4.
Fig. 5.
Fig. 5.
Fig. 6.
Fig. 6.
Quelle:
Lueger, Otto: Lexikon der gesamten Technik und ihrer Hilfswissenschaften, Bd. 8 Stuttgart, Leipzig 1910., S. 608-610.
Lizenz:
Faksimiles:
608 | 609 | 610
Kategorien:
Ähnliche Einträge in anderen Lexika

Buchempfehlung

Musset, Alfred de

Gamiani oder zwei tolle Nächte / Rolla

Gamiani oder zwei tolle Nächte / Rolla

»Fanni war noch jung und unschuldigen Herzens. Ich glaubte daher, sie würde an Gamiani nur mit Entsetzen und Abscheu zurückdenken. Ich überhäufte sie mit Liebe und Zärtlichkeit und erwies ihr verschwenderisch die süßesten und berauschendsten Liebkosungen. Zuweilen tötete ich sie fast in wollüstigen Entzückungen, in der Hoffnung, sie würde fortan von keiner anderen Leidenschaft mehr wissen wollen, als von jener natürlichen, die die beiden Geschlechter in den Wonnen der Sinne und der Seele vereint. Aber ach! ich täuschte mich. Fannis Phantasie war geweckt worden – und zur Höhe dieser Phantasie vermochten alle unsere Liebesfreuden sich nicht zu erheben. Nichts kam in Fannis Augen den Verzückungen ihrer Freundin gleich. Unsere glorreichsten Liebestaten schienen ihr kalte Liebkosungen im Vergleich mit den wilden Rasereien, die sie in jener verhängnisvollen Nacht kennen gelernt hatte.«

72 Seiten, 4.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Große Erzählungen der Frühromantik

Große Erzählungen der Frühromantik

1799 schreibt Novalis seinen Heinrich von Ofterdingen und schafft mit der blauen Blume, nach der der Jüngling sich sehnt, das Symbol einer der wirkungsmächtigsten Epochen unseres Kulturkreises. Ricarda Huch wird dazu viel später bemerken: »Die blaue Blume ist aber das, was jeder sucht, ohne es selbst zu wissen, nenne man es nun Gott, Ewigkeit oder Liebe.« Diese und fünf weitere große Erzählungen der Frühromantik hat Michael Holzinger für diese Leseausgabe ausgewählt.

396 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon